Mord und Totschlag am Dragon Days Sonntag: der 30. Oktober

Dass die Dragon Days nicht genug von Erik Kriek bekommen können, ist kein Geheimnis. Dieses Jahr war das niederländische Ausnahmetalent gleich an zwei Events am Festivalsonntag beteiligt, und zeigte dabei dass er nicht nur famos zeichnet, sondern auch noch singen kann und Gitarre spielt. In zwei verschiedene, gruselige und faszinierende Welten durften Festivalbesucher also dank ihm eintauchen.

 

Murder Ballads im Stuttgarter Westen

Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis Stuttgarts crossmediales Fantastikfestival in Stuttgarts crossmedialem Veranstaltungshaus landet, vor allem wenn dieses Haus ‚Merlin‘ heisst. Hochkarätige Musik, Kabarett und Lesungen sind dem Merlinpublikum wohl bekannt, wozu Erik Kriek mit seinem neuen ‚In the Pines‘ Comic perfekt passt. Wieso das? Weil ‚In the Pines‘ ein Reihe von Kurzgeschichten umfasst, die sogenannte Murder Ballads illustrieren – Songs aus der anglo- amerikanischen Folklore, die ein Verbrechen besingen. Selbstverständlich lässt es sich Erik, Hauptberuflich Zeichner und hobbymäßiger Musiker, nicht nehmen die Originalsongs, die seine Geschichten inspirierten, vorzusingen.

Moderator Björn Springorum führt gewohnt souverän durch das Event, das in eine auffallend bequeme, angenehme Atmosphäre gehüllt ist. Der abgedunkelte Lichteinfall, das bequeme Merlin und die interessierten Zuhörer erinnern ein bisschen an einen Studentengig. Eriks kräftige Stimme, die so schön von so schaurigen Geschichten erzählt, erfüllt den Raum und lädt die Zuhörer ein, mit zu träumen… bis man auf den Text achtet und merkt, dass da gerade der völlig sinnlose Mord einer Frau besungen wird. Wuah! Ein seltsames Erlebnis, und ein sehr ungewöhnliches Talent, solche Momente hervorzuzaubern. Im Hintergrund flackern die Seiten aus ‚In the Pines‘ über die Wand des Merlins und geben einen Eindruck von Eriks besonderem Zeichenstil. Fast holzstichartig scheinen die Bilder, und trotzdem voller Details, besonders in den Hintergründen und Naturabbildungen. Die Farbwahl ist reduziert und kreiert eine eindringliche Atmosphäre.

Nachdem Erik sein Programm gesungen hat, erzählt er noch ein bisschen davon, wie sich Musik und Kunst kombinieren lassen und wie man als Teenager am besten Mädchen kennenlernt (als Frontmusiker einer Band) und wie nicht (als Schlagzeuger oder als Friedhofswärter). Alles so sympathisch und lustig, dass man schon wieder völlig vergisst, dass es eigentlich gerade um ein Buch voller Horrorgeschichten geht.

 

Game of Thrones im Museum am Löwentor

Später am Abend zeichnet der sympathische Künstler, der ja auch irgendwie etwas Ähnlichkeit mit George R.R. Martin hat, genau die Szene, in der -SPOILER ALERT! - Tyrion Lannister sich endlich von seinem despotischen Vater befreit und ihn direkt vom Abort in eine der sieben Höllen befördert.  Zu Götz Schneyders Lesung eines Kapitels von „Game of Thrones“ verwandelt Erik Kriek eine mitgebrachte Skizze in Detail und Tusche zu einem Meisterwerk. Text und Bild scheinen sich hierin nur gegenseitig in ihrer Eindrücklichkeit und auch ihrem morbiden Humor gegenseitig zu verstärken, der so perfekt zu Erik Kriek und zu Schneyders tiefer Stimme passt.

Das Museum am Löwentor hat wieder einmal in alter Tradition zu diesem Event im Rahmen der Dragon Days geladen. Ebenfalls in alter Tradition musste das Dragon Days Team auch wieder einen technischen Ausfall umschiffen – keine Dragon Days ohne Beamerprobleme, wie man so schön sagt. Zum Glück ist man erprobt, und schnell erklingt die Lesung und Bleistiftgekritzel, mitten aus dem Zuschauerraum.

Im Anschluss an die Lesung und das Live-Zeichnen bekommt das Publikum nun einen ganz eigenen Zugang zu den Visual Effects der Serie. In seiner VFX Präsentation erklärt Christian Zilliken von der Stuttgarter Firma Mackevision genau, wie einige der bekanntesten Szenen der Serie entstanden sind. Der gut gefüllte Saal staunt zum Teil nicht schlecht, wieviel Arbeit und vor allem Rechenleistung nötig ist, um eine stürmische Nacht in der „shivering sea“ so realistisch zum Leben zu erwecken. So erfährt man, dass für das animieren von Wasser mehr notwendig ist, als nur ein paar Aufnahmen aus einer Glaswanne und „einfache“ Floating Animation. Ironisch, dass bei so viel Arbeit das größte Lob nach Zillikens Aussage ist, wenn das Publikum die Animation gar nicht als Solche erkennt.

Im Anschluss folgt ein aufschlussreiches Interview über die Hintergründe der Firma und deren steilen Aufstieg nach dem Gewinnen eines Emmys für die VFX Technik von „Game of Thrones“ und einige Details rund um den Film- und Technikstandort Stuttgart. Andeutungsweise lässt Zilliken auch durchsickern, dass sich das Publikum wohl auch in naher Zukunft auf einige spektakulären Animationen aus Hollywood „made in Schwabenland“ freuen kann. Genaue Details hierzu lässt er sich jedoch leider nicht entlocken.

Ganz nach der hergebrachten Devise „Nachts im Museum“ wird jedem Zuschauer nach der Veranstaltung noch etwa eine halbe Stunde das Tor in eine andere Zeit geöffnet. In der einsamen und fast schon archaischen Atmosphäre des Naturkundemuseums können Interessierte nach dem Ende des Drachentags-Events noch erkunden, auf welche Ursprünge die Entwürfe für die fantastischen Fabelwesen stammen und wer die Vorlage für den Festivalpreis, den schwäbischen Lindwurm, liefert.

 

  • geschrieben von Dominique ('In the Pines') und  Roxana ('Game of Thrones'). Editiert von Dominique