„Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein“

 

Man hat es ja nicht leicht als Schwabe.

Entweder wird der Bahnhof, an dessen Schimmel und Löcher im Boden man sich endlich gewöhnt hat, von einem schlossgraben-ähnlichen Schlammloch vom Rest der Stadt getrennt, oder das Land spottet dem schönen Dialekt, oder man wird auf die Automobil- und Kraftmotorbranche reduziert.

Da war die Ausstellungseröffnung „Schwaben im All“ Balsam für die württembergische Seele. In der Stadtbibliothek Stuttgart zeigt Animationsfilmguru Jon Frickey, bekannt zum Beispiel durch Extra3s Atomi („äh… guck mal, was ich kann!“) Ausschnitte einer Filmadaption zu Albert Daibers „Die Weltensegler“. Daibers Roman von 1910 ist die erste fiktionale Marsreise der Welt, die vom Cannstatter Wasen aus startet und die 7 Schwaben um Professor Stiller mit viel Wein und schwäbischer Kehrwoche auf den Mars bringt. Da dieses regionale Epos sogar in Stuttgart unbekannt ist, wurde es höchste Zeit, dass der talentierte Mister Frickey eine 50ger-Jahre Anime-Homage im Stile von Heidi und Captain Future daraus macht!

Zur Eröffnung gab Ernst-Oliver Wilhelm eine Einführung in die Wechselwirkung zwischen Science Fiction und Wissenschaft – denn nicht nur Jules Verne hat Ideen niedergeschrieben, die Jahrzehnte später realisiert wurden, sondern ein ganzer Haufen Künstler inspirierte oder gar initiierte bahnbrechende Ideen und Anwendungsmöglichkeiten. Auch tiefgreifende Überlegungen über das menschliche Wesen und die Rolle des Menschen in Zusammenhang mit extraterrestrischen Leben findet sich schon früh in Literatur wieder – es ist kein Zufall, dass die großen Erkundungsromane und -geschichten meistens mit dem Treffen einer pazifistischen, hochentwickelten Kultur eingehen. Wissenschaftlicher Fortschritt und die Weiterentwicklung der menschlichen Moral gehen also Hand in Hand; Eine Weisung, die wir gestern, wie heute, wie morgen im Hinterkopf behalten sollten.

Die Szenen, die Ulrike Goetz darum im Anschluss aus Daibers Weltensegler las, begleitet durch Frickeys animierte Szenen, wirkten darum auf gleiche Weise ernst und amüsant. Dass das „Sehnen und Wünschen als Antrieb der Menschheit“ in Stuttgart realisiert wird, verwundert den bekennenden Schwaben nicht (wo auch sonst? Etwa in Karlsruhe? Bitte.), und der ein oder andere stellt sich das Raumschiff „Weltensegler Stuttgart“ mit Sicherheit mit einem Stern auf der Motorhaube vor. Schade nur, dass sich die 7 Schwaben nicht mit ‚Adele‘ verabschiedet haben, und generell kein Schwäbisch reden – kein Wunder, dass die hochentwickelten und intelligenten Marsiter sie nicht verstehen. Zum Glück gelten riesige Weintrauben als Grundnahrungsmittel auf dem Mars, und Schwaben und Marsmännle verstehen sich schnell über das ein oder andere Gläschen Wein. Dass die Marsiten die Erdenbewohner schließlich mit einem „Ihr seid die ersten und zugleich letzten fremden Wesen, die zu uns finden dürfen“ herauskomplimentieren, überrascht dann doch... Den Ausschluss von bayerischen Besuchern hätte man ja noch verstanden, aber auch keine weiteren Schwaben? Unverständlich.

Natürlich entscheiden sich alle Wissenschaftler außer einem, zurück ins Ländle zu fliegen (es wurden keine marsianischen Maultaschen erwähnt). In Jon Frickeys Animationen wackelt die WS Stuttgart zurück zur Erde, doch in den großen Animeaugen Professor Stillers erkennt man, dass der Wissensdurst noch nicht gestillt ist. Passend dazu gibt es ein Daiber-Sequel… vielleicht auch irgendwann eines von Frickey. Wem das du lange dauert, kann sich noch bis zum 17.09. die Reise zum Mars in der Stadtbibliothek ansehen.

(Bei der Anfertigung dieses Blogartikels wurde kein Regionalstolz verletzt. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen regionalen Bewohnern sind rein zufälliger Natur.)

  • geschrieben von Dominique